Wir statt ICH
Ludwig Laher hat letzte Woche in den OÖ Nachrichten eine sehr gute Kolumne verfasst (2 min Lesedauer). Nachdem auch Haag seit einigen Jahren sehr stark von der türkisen Art von Politik geprägt ist, öffnet dieser Text vielleicht bei Einigen die Augen.
Titel: Es war absehbar
„Dieses autoritäre Experiment einer unreifen Persönlichkeit musste früher oder später in einem Fiasko enden“, schreibt Schriftsteller Ludwig Laher in der Kolumne „Die Sicht der Anderen“.
Am 13. 10. 2017, zwei Tage vor der Nationalratswahl, die Sebastian Kurz zum Kanzler machen sollte, gab ich unter dem Titel „Soll ICH der Staat sein?“ an dieser Stelle zu bedenken: „ICH habe die Westbalkanroute geschlossen, meint da etwa einer ohne jede Ironie. Man, nein, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, der Mann scheint sich selbst zu glauben. Das vor allem ist verstörend. Wer die Führung übernimmt, soll auch die Möglichkeit haben zu führen, sagt er wörtlich. Und: ICH habe die Statuten geändert, ICH habe ganz bewusst eine breite Bewegung gegründet, ICH habe ein neues Programm gemacht, und ICH habe vor, mit derselben Entschlossenheit auch eine Regierung zu führen. Da gehört es auch dazu, dass der Regierungschef die Linie vorgibt. Cäsar schlug die Gallier, zitiert Brecht die Geschichtsbücher, und fragt dann: Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei? Entwickeln breite Bewegungen sich gewöhnlich nicht aus einem Bedürfnis vieler statt aus dem Gründungsakt eines starken Mannes, der mutterseelenallein Programme zimmert und Statuten austüftelt, weil ihm offenbar niemand das Wasser reichen kann? Ist Regieren als One-man-ICH-Show mit Ministergarnierung und Parlamentsfolklore ein zukunftstaugliches Rezept, wieder ein zukunftstaugliches Rezept? So viele Fragen.“
Die Antworten überließ ich dem Wahlvolk und dem künftigen starken Mann am Ruder. Aber mir war wie anderen kritischen Beobachtern klar, dass dieses autoritäre Experiment einer unreifen Persönlichkeit früher oder später in einem Fiasko enden musste. Dass es derer gleich mehrere sein würden, dafür fehlte mir die Phantasie. Auf einem Podium zusammengespannt, hatte ich schon Jahre zuvor dem damaligen Integrationsstaatssekretär beschieden, es sei sinnlos, mit ihm diskutieren zu wollen, wenn er auf jedes begründete Argument bloß mit vorgestanzten Stehsätzen reagiere. Er schien sich nur für sich selbst zu interessieren.
Kurz und seine saubere Satelliten-Entourage haben nun sogar in der Volkspartei, die sich in ihren Ergebenheitsadressen und gleichgeschalteten Meinungsäußerungen von der KP Chinas die längste Zeit hauptsächlich durch die türkise Farbgebung unterschied, manchen die Augen geöffnet. Besonders bei jüngeren Leuten sollte aber die fatale Vorbildwirkung der selbsternannten Slim-fit-Elite mit ihrer kontrollierten Schwurbelrhetorik und ihrem unkontrollierten, boulevardmediengestützten Machthunger nicht unterschätzt werden. Es gälte jetzt, scheinbar überholte Tugenden wie Herzensbildung oder Solidarität und so gut wie abgeschaffte Kommunikationsvoraussetzungen wie das Zuhören, Abwägen und begründete Argumentieren wieder in ihre Rechte zu setzen, nicht nur im politischen Umfeld. Juristische Aufarbeitung ohne gesellschaftliche Schadensbegrenzung wird nicht ausreichen, um die nächsten politischen Abenteurer aufzuhalten, ihr Ding einfach durchzuziehen.
Ludwig Laher ist Schriftsteller. Am 25. November wird im Linzer StifterHaus ein Porträtband der Rampe vorgestellt werden, der seinem Leben und Werk gewidmet ist.